Dr. Georg Kalischer

  • Geboren am 05. Juni 1873 in Berlin
  • Getauft 1895, französisch-reformiert
  • Letzter Wohnsitz in der Böcklinstraße 14, Frankfurt am Main
  • Von Beruf Industriechemiker bei Cassella/Mainkur/I. G. Farben
  • Verheiratet mit Marie, geb. Krause (01. August 1880 – 06. Mai 1964)
  • Inhaftierung 12.-28. November 1938 (KZ Buchenwald)
  • Verstorben an den Folgen der KZ-Haft am 01. Dezember 1938 in der Villa Böcklinstraße

Georg Kalischer, Sohn jüdischer Eltern in Berlin, studiert nach dem Abitur 1891 Chemie in Heidelberg
und Berlin; dort wird er 1895 promoviert. Im selben Jahr lässt er sich taufen (wo, ist unbekannt), wird und bleibt „französisch-reformiert“. In die Cassella Mainkur-Werke (1925 Teil der I. G. Farben) tritt er 1897 ein und steigt ab 1919 bis in die Unternehmensleitung auf. Georg Kalischer heiratet am 06. August 1909 Marie, geb. Krause, die, aus Kiel stammend, seit 1900 in Frankfurt lebt. Beide ziehen 1912 nach Fechenheim in die Waldstraße 25 (heute: Birsteiner Straße); ab 1925 bewohnen sie ihre eigene, neue Villa in der Böcklinstraße 14.

Ab 1932 gerät Kalischer in den Strudel der NS-Rassenideologie: Nach 37 Jahren Werkszugehörigkeit, 1932, vereinbart er, im Falle seines Todes, die Fortzahlung der Pension an seine Ehefrau, wechselt auf die Stelle des Leiters im I. G. Farben-Hauptlabor Leverkusen und lässt sich einen Reisepass ausstellen, der nie benutzt wird. Kalischer wird mit 60 Jahren im März 1934 pensioniert. Die I. G. Farben unterstützen 1933 den Wahlkampf der Nationalsozialisten; ein leitender Direktor, der gemäß der NS-Rassenideologie als „Volljude“ gilt, ist unternehmerisch untragbar. Kalischers Ausreiseantrag wird nicht genehmigt.

Die Ehe wird ab 1935, nach der Pensionierung, in Gütergemeinschaft geführt. Die Kalischers müssen Mitte 1938 ihr Vermögen offenbaren – Grundlage für eine sogenannte Sühneleistung, die am 21. November 1938 von den Opfern des Novemberpogroms erzwungen wird. Als Marie Kalischer 20% ihres Vermögens abtreten muss, ist ihr Mann bereits beerdigt. Er war am 11. November 1938 mit etwa 2.200 anderen als Juden klassifizierten Frankfurtern zur Messehalle und von dort via Südbahnhof ins KZ Buchenwald gebracht worden. Unmenschlich behandelt, wird er am 28. November todkrank nach Frankfurt entlassen, wo er am 1. Dezember den Folgen der Haft erliegt. Die Beisetzung am 5. Dezember findet unter Aufsicht der Gestapo und Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Marie Kalischer darf lediglich ihren Gemeindepfarrer Otto Haas, Lukasgemeinde, um Beistand bitten. Marie Kalischer, durch die Judenvermögensabgabe ihrer Barschaft beraubt, zieht 1939 in eine Absteige um.

Einen ersten Prozess 1949 auf Rückerstattung der Abgabe verliert sie, ein zweiter erbringt 1955 eine geringe Entschädigung; sie verkauft das Haus in der Böcklinstraße. Neue Gesetze ab 1957 erlauben einen weiteren Prozess, den sie 1958 bzw. 1961 gewinnt – mit 81 Jahren. Pfarrer in Ruhe Haas beerdigte sie am 25. Mai 1964 auf dem Südfriedhof.

Marie Kalischer stiftete 1953 ein Bleiglasfenster für die Lukaskirche und 1956 testamentarisch die Georg und Marie Kalischer-Stiftung (Sophienheim der Franz Anton Gering-Stiftung, Frankfurt; Alsterdorfer Anstalten, Hamburg; Kinderheim Simonshaus, Kelkheim).