Stellungnahme Fluglärm

Stellungnahme
der Frankfurter evangelischen Maria-Magdalena-Gemeinde
zu den Fluglärmprotesten um die neue Landebahn Nordwest

Seit Oktober 2011 ist für die Anwohner des Rhein-Main-Flughafens die Lärmbelastung unerträglich geworden. Im 2-Minuten-Takt donnern die Flugzeuge, am Himmel sichtbar aufgereiht in einer doppelten Perlenschnur, über die Wohngebiete in niedriger Höhe zwischen 600 bis 300m Überflughöhe hinweg. Der Lärm erreicht ständige Spitzenwerte von 75-85dB, dabei sind die Pausen zwischen den Lärmspitzen so kurz, dass sich Ohren und Nerven nicht mehr entspannen können.

Dies ist erst der Beginn der Lärmbelastung und noch nicht das kommende Maximum. Die Anzahl der Flugbewegungen hat sich bislang noch nicht erhöht, die Anflüge sind nur auf die neue Nordwestbahn und die Südbahn verteilt worden. Die Zahl von zur Zeit ca. 500.000 Flugbewegungen im Jahr soll auf 700 – 800.000 in den nächsten 10 Jahren gesteigert werden. Dabei ist die erhöhte Umweltbelastung durch die Zunahme der Emissionen noch nicht berücksichtigt.

Entgegen der offiziellen Verlautbarung der Fraport und der Hessischen Landesregierung sind jedoch nur wenige Bürger z.B. von Raunheim entlastet. Schätzungsweise 300.000 Bewohner von Offenbach, Frankfurt-Oberrad, -Sachsenhausen, -Niederrad, Flörsheim, Hochheim und Mainz sind jedoch mit einem 2-3 fach erhöhten Dauerlärmpegel (Anstieg um 10dB) und extrem erhöhten Lärmspitzenpegeln belastet. Und das von 5:00 Uhr morgens bis 23:00 abends. Und auch evtl. wieder nachts, falls die Nachtflugbeschränkungen wieder aufgehoben werden.

Die Belastungen durch den Fluglärm sind eine echte Gefahr für die Gesundheit der Menschen, besonders für die, die unter der Endanfluglinie leben. Dies ist leider keine „unvermeidbare Belästigung“ wie der Flughafenchef Schulte verbreitet, sondern es ist in dem Ausmaß seit der Eröffnung der NW-Landebahn eine Gefahr für Leib und Seele. Das ist keine Hysterie, mehrere medizinische Studien (Greiner, Kaltenbach und Umweltbundesamt) haben dies nachgewiesen. Die Menschen leiden unter erhöhtem Blutdruck, Schlafstörungen, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen. Auch bei Schulkindern wurden erhöhte Blutdruckwerte und Lernstörungen nachgewiesen. Das Lärmgutachten von Prof. Scheuch und Kollegen in der sog. Frankfurter Synopse, das dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegt, hat dies heruntergespielt und bagatellisiert. Die Nöte der betroffenen Menschen so zu ignorieren grenzt an Zynismus und Menschenverachtung.

Unser Grundgesetz Artikel 2(2) bekräftigt das Recht der Bürger auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Auch das Luftverkehrsgesetz regelt in §29b, dass vermeidbarer Lärm beim Betrieb eines Flughafens komplett und der unvermeidbare Lärm auf ein Minimum zu beschränken sind, insbesondere ist auf die Nachtruhe der Bevölkerung Rücksicht zu nehmen: Die Bevölkerung ist vor unzumutbarem Fluglärm zu schützen. Dies ist Aufgabe der Luftfahrtbehörden, d.h. der hessischen Landesregierung und der deutschen Flugsicherung.

Doch diese kümmern sich erst jetzt nach dem Ausbau des Flughafens und Inbetriebnahme der neuen Landebahn auf Grund der Bürgerproteste um die Lärmminderung und versuchen die Quadratur des Kreises.

Wir als evangelische Kirchengemeinde in Frankfurt-Sachsenhausen engagieren uns für den Schutz der betroffenen Bürger in unserem Stadtteil und für alle betroffenen ca. 300.000 Bürger des Rhein-Main-Gebietes, weil wir unsere Verantwortung für Gottes Schöpfung wahrnehmen wollen. Dies bedeutet, dass wir uns auch für die Erhaltung von menschenwürdigen Lebensbedingungen in Frankfurt einsetzen.

Unser Gemeindegebiet liegt direkt unter der Endanflugschneise der neuen Landebahn Nord-West, und unsere Gemeindemitglieder sind in unzumutbarem Maß von der Lärmbelastung betroffen.

Wir engagieren uns deshalb, weil wir feststellen, dass die Verantwortlichem sich nicht in ausreichendem Maß um den Schutz der Bevölkerung kümmern und sich nur in Worten und Ankündigungen, in öffentlichkeitswirksamen „Lärmgipfeln“ präsentieren, aber in Wirklichkeit die expansive Wirtschaftspolitik des größten Unternehmen Hessens, dem sie als Großaktionäre (Landesregierung zu 31,49% und als Stadt Frankfurt zu 20,11%) angehören, vorbehaltlos unterstützen und dem Wachstum keine Grenzen setzen. Wegen der wirtschaftlichen Verquickung der Aufsichts und Genehmigungsbehörde mit dem zu beaufsichtigenden Unternehmen ist ein wirkliches Ernstnehmen der Bürgerinteressen nicht zu erwarten. In der Abwägung der Gesundheitsinteressen der Bevölkerung gegenüber der Wirtschafts- und Wachstumspolitik der Fraport und Lufthansa kommt die Bevölkerung eindeutig zu kurz. Wir unterstützen die betroffene Bevölkerung, da es nicht vertretbar ist, dass Unternehmenswachstum zu unzumutbaren Belastungen der Bürger führt.

Das Argument der Schaffung zehntausender neuer Arbeitsplätze durch den „Jobmotor Flughafen“ hat sich in den letzten Jahren leider nicht bewahrheitet. Die Fraport AG hat im Gegenteil zwischen 2007 und 2010 ganze 10.000 Arbeitsplätze gestrichen.

Die gewählten Politiker vertreten mehr und mehr die Interessen von Großunternehmen und nicht mehr der Bürger. Unsere Kirchengemeinde ruft alle auf, die noch etwas tun können, die Richter im Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, die Landespolitiker der Regierung und der Opposition, das künftige Stadtoberhaupt Frankfurts und den Frankfurter Magistrat, die Vorsitzenden von Fraport, Lufthansa, Lufthansa Cargo und aller angesiedelten Unternehmen, die Nöte der Bevölkerung endlich ernst zu nehmen und daraus die notwendigen Konsequenzen zu ziehen.

Es soll keiner sagen, die Bürger protestieren erst jetzt. Die Bürgerinitiativen tun dies seit mehr als 15 Jahren. Unsere Gemeinde hat schon seit Ende der 90er Jahre mit monatlichen Schweigeandachten „Schweigen gegen den Lärm“ protestiert. Die Siedlungen Lerchesberg, Fritz-Kissel-Siedlung, Heimatsiedlung, die Siedlungen am Goetheturm, Mühlberg, ja der ganze Stadtteil Sachsenhausen bestand schon Jahrzehnte bevor der Flughafen gebaut bzw. ausgebaut wurde. Die protestierenden Bürger sind nicht gegen den Flughafen an sich, jedoch muss der Ausbau seine Grenzen finden, wo die Bürger unzumutbar belastet werden. Beim Weiterbetrieb der neuen Landebahn können alle bisher anvisierten Maßnahmen des aktiven und passiven Schallschutzes keine Abhilfe schaffen. Unter der Endanfluglinie wird es weiterhin unerträglich laut bleiben und zunehmend lauter werden. Ein dauerhaftes Nachtflugverbot von 22.00 bis 06.00 Uhr ist als eine Maßnahme zum Schutz der Bevölkerung notwendig.

Frankfurt, den 13.02.2012

Der Kirchenvorstand der evangelischen Maria-Magdalena-Gemeinde in Frankfurt-Sachsenhausen


 

Verteiler:
– Bundesverwaltungsgericht in Leipzig
– Hessische Landesregierung z.H. Ministerpräsidenten Herrn Bouffier und Wirtschaftsminister Herrn Posch, Fraktionsvorsitzende der SPD und der Grünen im Hessischen Landtag
– Alle Frankfurter OB-Kandidaten: u.a. Boris Rhein, Peter Feldmann, Rosemarie Heilig, Frau Dr. Ursula Fechter, Janine Wissler, Herbert Förster
– Fraport-Aufsichtsratsvorsitzender Karlheinz Weimar
– Fraport-Vorstandsvorsitzender Stefan Schulte
– Lufthansa-Vorstandsvorsitzender Dr. Christoph Franz
– Lufthansa-Aussichtsratvorsitzender Dipl.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Jürgen Weber und Vertreter Frank Bsirske
– Deutsche Flugsicherung
– Kopie an evangelisches Dekanat Frankfurt-Süd, evangelischer Regionalverband, EKHN Presse-Verteilung